Rekapitulationstheorie

von William Emerson

Einer der amerikanischen “Väter” der Psychologie frühester Traumata ist William Emerson. Er entdeckte zahlreiche Zusammenhänge zwischen Lebensmustern und Geburtstraumata u.a. Traumata.

Direkte Rekapitulation

Hier wiederholt ein Mensch (bzw. ein Anteil von ihm) in direkter Weise eine frühe Erfahrung.
Beispiele:

  • Eine Frau wird mit Notkaiserschnitt gerettet.
    In Beziehungen mit Männern wiederholt sich dieses “Gerettetwerden” immer wieder.
  • Ein Junge atmet bei der Geburt Flüssigkeit ein und muss wiederbelebt werden.
    In der Kindheit ertrinkt er dreimal beinahe.

Defensive Rekapitulation

Hier versucht ein beschützender Anteil, die Wiederholung des Traumas zu vermeiden. Beispiel:

  • Eine Frau bleibt während ihrer Geburt 46 Stunden stecken. Beruflich wechselt sie alle paar Monate die Arbeitsstelle, wenn es “eng und heiß” wird, wie sie es nennt. Sie fährt das ganze Jahr mit einem Motorrad herum. Irgendwann wird ihr bewusst, dass sie vor etwas davonläuft.

Identifizierende Rekapitulation

Hier identifiziert sich ein Mensch mit dem Aggressor oder dem traumatischen Ereignis.
(Kein Beispiel genannt)

Konfrontative Rekapitulation

Hier reagiert ein Mensch auf sein altes Trauma, z.B. mit Wut.

  • Ein Junge stirbt fast bei der Geburt, weil seine Mutter eine Überdosis eines Anästhetikums erhält.
    Als Mann kämpft er als Mitglied von “Eltern gegen Drogen” verbissen gegen Drogen in der Schule. So sehr, dass er in große Spannung mit seinen Mitstreitern und mit den Lehrern gerät.
  • Ein Mann engagiert sich in einer Gruppe und agiert sehr aggressiv, bis zur Gewalttätigkeit gegen Abtreibungen. Seine Frau schickt ihn zu Therapie. Dort findet er zu seinem großen Erstaunen heraus, dass seine Mutter versucht hatte, ihn abzutreiben.

Generative Rekapitulation

Opfer eines Traumas umsorgen andere, die am gleichen Trauma leiden.

  • Eine Frau hat eine sehr brutale Geburt hinter sich.
    Sie leitet eine Stätte für misshandelte Frauen und möchte sie “zurück in die Gesellschaft gebären”.

Kompensatorische Rekapitulation

Sie tritt oft auf, wenn Bedürfnisse verletzt wurden. Emerson nennt dies Bedürfnisschock. Dann wird (teilweise manipulativ) versucht, die ungestillten Bedürfnisse zu erfüllen. Der Schock wird dadurch jedoch nicht geheilt.

  • Ein Mädchen wird durch überkontrollierende Eltern verletzt.
    Als Frau sucht sie sich Beziehungen, in denen sie sehr viel Freiheit hat.
  • Ein Junge wird von seinen Eltern benachteiligt. Als Mann promoviert er, “um sich beliebt zu machen”.

Abschließende Bemerkungen

Die verschiedenen Rekapitulationsstile können auch gemischt auftreten. Das größte Heilungspotenzial sieht Emerson bei der direkten Rekapitulation, gefolgt von der generativen Rekapitulation. An dritter Stelle erst steht die defensive und die konfrontative Rekapitulation.
Aus Sicht der IFS handelt es sich bei all diesen Formen um beschützende innere Anteile.

Quelle

William Emerson, Emersons Rekapitulationstheorie, in: Peter Schindler (Hrsg.), Am Anfang des Lebens: neue körperpsychotherapeutische Erkenntnisse über unsere frühesten Prägungen durch Schwangerschaft und Geburt. Basel: Schwabe, 2013, 109-121